Der Geist der Steine by Peggy Langhans

Der Geist der Steine by Peggy Langhans

Autor:Peggy Langhans [Langhans, Peggy]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-89841-866-9
Herausgeber: Schardt Verlag
veröffentlicht: 2015-12-01T16:00:00+00:00


***

Die Ernte ging gut voran, so dass wir einen Großteil der Trauben innerhalb weniger Tage eingebracht hatten. An einem Morgen war der Himmel grau in grau und es regnete in Strömen. Ein gleichmäßiger Landregen, der es unmöglich machte, mit der Lese fortzufahren. Maurice gab den Erntehelfern einen Tag frei.

„Komm, lass uns in die Stadt fahren“, ermunterte ich Anouk.

Und schon lief ich durch den Regen zurück ins Haus, um mich umzukleiden. Anouk folgte mir.

„Aber so? So kann ich nicht mit“, sagte sie und zupfte an ihrem Arbeitshemd.

„Maman?“, rief ich. „Maman.“

„Oui, mein Sohn“, antwortete sie und stand unvermittelt vor mir.

„Anouk braucht etwas zum Anziehen. Du hast doch bestimmt etwas für sie in deinem Schrank, oder?“, fragte ich aufgekratzt.

„Na, dann kommen Sie mal mit“, sagte sie lächelnd und schritt voran.

In meinem Bauch rumorte es. Es war kein Hunger, es war keine Übelkeit. Ich brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass es ein wohliges Gefühl verliebter Erregung war. Mein Körper spielte verrückt, aber ganz anders, als ich es bisher von ihm kannte und gewohnt war. Ich ließ es geschehen. Ich ließ dieses Gefühl aufsteigen. Es stieg aufwärts vom Bauch, durch die Brust und das Herz in meinen Kopf und die Gedanken. Wie eine warme Welle, die mich mächtig und gleichsam sanft überrollte, breitete sich die Liebe in mir aus. Sie erfasste jede Zelle, jeden Teil von mir. Und ich fühlte mich gut dabei. Unsagbar gut. Es gab keine Worte, die das beschreiben konnten.

„Und? Was ist? Kommst du?“

In einer dünnen Baumwollhose von Chanel mit dazu entsprechender Bluse stand sie vor mir. Ihre schwarze Mähne fiel offen auf ihre schmalen Schultern. Zartheit und Wildheit vereinten sich in ihrer Erscheinung.

„Oui, Madame Benoit.“

Ich fasste ihre Hand und führte sie aus dem Haus zum Wagen Papas, den Robert in der Einfahrt für uns bereitgestellt hatte.

Zum ersten Mal seit meiner Krankheit kehrte ich nach Montpellier zurück. In der Stadt wehten überall die Fahnen des Vichy-Regimes und Banner mit den Parolen. Es wimmelte von Uniformierten. Aber all das beeindruckte mich nicht. Nicht mehr. Es hatte an Bedeutung verloren. Fast hatte ich ein wenig Mitleid mit den Menschen, die sich in eine Uniform zwängten oder zwängen ließen, um für irgendeinen Führer, wie auch immer er hieß, zu kämpfen. Plötzlich war das alles nichtig und klein für mich. Neben mir saß die schönste Frau der Welt. Und ich liebte. Nur das allein zählte. Meine Krankheit hatte mir gezeigt, dass die Dinge, die ich vorher als wichtig und erstrebenswert betrachtete, vergänglich waren. Dass man ganz schnell all das verlor. Gesellschaftlicher Status, weltliche Herrschaft und körperliche Überlegenheit. Einen Gedanken jedoch hatte ich nie verloren, selbst in den schlimmsten Fieberattacken nicht. Das war der Gedanke an Anouk. Keine Macht dieser Welt konnte diese Liebe verdrängen. Also, was war es wert, nach weltlicher Macht zu streben? Nicht einen Franc.

Die Sonne brach durch die Wolken. Ihre wärmenden Strahlen verwandelten das Regenwasser in den Straßen zu aufsteigendem Dampf. Ich parkte den Wagen am Rande der Innenstadt und wir schlenderten durch die engen Gassen. Vorbei an Schaufenstern mit der neuesten



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.